(M)eine Stadtgeschichte: Armanda Tschurtschenthaler

Shownotes

In dieser Folge hören Sie Aufnahmen aus dem Gespräch mit Frau Tschurtschenthaler. Armanda Tschurtschenthaler wurde 1932 geboren und verbrachte den Großteil Ihrer Kindheit in Wilten. Sie berichtet uns vor allem über Ihre Erinnerungen an das Arbeitslager Reichenau sowie Zwangsarbeiter in der Stadt, was Ihr von der Reichskristallnacht in Innsbruck im Gedächtnis blieb und was Sie noch von der Schulzeit berichten kann.

Rückmeldungen, Wünsche oder Anregungen zu den einzelnen Folgen können gerne per Mail an podcast@innsbruck.gv.at geschickt werden.

Das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck finden Sie im Web unter diesem Link.

Wollen Sie von zu Hause oder unterwegs eine Entdeckungsreise durch Innsbruck machen, dann sollten Sie unseren Bilder-Blog Innsbruck erinnert sich besuchen, wo täglich vier neue Beiträge veröffentlicht werden. Es lohnt sich!

Transkript anzeigen

00:00:00: Armanda: Und dann war es die Sirene.

00:00:02: Und dann natürlich schnell heim gesaust, ja, jetzt schnell runter in den Keller.

00:00:05: Und dann hat es schon gekracht gell.

00:00:07: Das Essen ist am Tisch gestanden.

00:00:10: Wie wir nachher dann nach der Entwarnung wieder raufgekommen sind,

00:00:13: war natürlich alles verstaubt und verrußt.

00:00:16: Das war schon ein bisschen deprimierend, muss ich sagen.

00:00:19: [Intro-Musik]

00:00:34: Tobias: Hallo und herzlich willkommen zur vierten Folge der zweiten Staffel von "Archivwürdig",

00:00:39: dem Podcast des Innsbrucker Stadtarchivs.

00:00:42: In dieser Folge hören Sie Aufnahmen aus dem Gespräch mit Frau Tschurtschenthaler.

00:00:46: Frau Tschurtschenthaler wurde 1932 geboren und verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in Wilten.

00:00:52: Sie berichtet uns vor allem über ihre Erinnerungen an das Arbeitslager Reich genau,

00:00:56: sowie Zwangsarbeiter in der Stadt, was sie von der Reichskristallnacht in Innsbruck im Gedächtnis blieb

00:01:02: und was sie noch von der Schulzeit berichten kann.

00:01:05: Neben der Stimme von Frau Tschurtschenthaler hören Sie auch unseren Leiter des Stadtarchivs Lukas Morscher.

00:01:10: Und damit geht es auch schon zur Folge.

00:01:13: Armanda: Ja, ich bin [19]32 geboren und in der Fischerschule in die Schule gegangen, [19]38,

00:01:20: das erste Jahr war noch katholischer Schul[unverständlich]dienst und das zweite Jahr war schon das Hakenkreuz an der Wand.

00:01:25: Und dann ist [19]38, [19]39 bei Kriegsbeginn, mein Vater schon weg gewesen,

00:01:31: und [19]46... [19]45, nach dem Krieg, wieder heim gekommen, nach der Gefangenschaft.

00:01:36: Und was soll ich sagen, in der Zeit waren wir zwei Jahre in Gris im Sellrain drinnen,

00:01:42: wo meine Mutter aufgewachsen ist, wegen der Bombenzeit, weil ich ja den ersten Bomben-Krieg mitgemacht habe.

00:01:49: Und beim zweiten Bombenangriff habe ich den schon miterlebt vom Sellrain aus.

00:01:54: Da sind schon die Flieger über den Berg her geflogen und dann sind wir am Nachmittag aufs sogenannte "Innsbrucker Bankerl" gegangen

00:02:01: und dann haben wir schon gesehen wie Innsbruck brennt.

00:02:03: [Lukas] Schrecklich.

00:02:04: Armanda: Ja, dann hast halt das erlebt ned.

00:02:07: Und eben. Und nach dem sind wir die zwei Jahre oder fast drei Jahren drinnen gewesen, [19]45 nach Kriegsbeginn,

00:02:12: ehm, Ende sind wir dann im Mai wieder heim [gegangen].

00:02:15: Und drüben im neuen Wilten, ich bin in Wilten aufgewachsen, in der Haymongass 1.

00:02:20: Und da habe ich aber schon, da haben wir aber schon, also wenn ich sage,

00:02:25: unter dem Krieg vorher schon, waren.... Also das Lager, Reichenauer Lager

00:02:31: das war ja ein Gefangenenlager auch von den Franzosenkriege,

00:02:35: meine ich, wie der der Franzosenkrieg war, da waren schon die Gefangenen dort.

00:02:38: Und die sind ab und zu einmal [man hört im Hintergrund jemanden wischen], ich habe es nämlich gesehen,

00:02:44: wir haben im ersten Stock oben gewohnt und die sind also ein paar Gruppen,

00:02:48: ab und zu durch die Haymongasse rauf gegangen aber ich kann nicht genau sagen,

00:02:52: da muss irgendwo, ich weiß nur, ein Bunker gewesen sein, haben die dort müssen arbeiten

00:02:56: oder irgendwas erledigen, jedenfalls ist immer wieder einmal so eine kleine Gruppe Gefangener,

00:03:00: mit links und rechts Bewachung, da rauf marschiert.

00:03:03: Lukas: Also französische Kriegsgefangene?

00:03:04: Armanda: Das müssen französische Kriegsgefangene gewesen sein, ned, also nur das,

00:03:08: derweil. Aber nach dem Krieg eben war das Auffanglager von heimkehrenden Soldaten.

00:03:15: Weil mein Cousin, der in Osttirol, der ist auch leider schon verstorben,

00:03:20: der hat uns aufgesucht, oben in Wilten, er hat natürlich nicht genau ganz gewusst,

00:03:26: wo wir sein und hat aber aufgesucht, und der ist dann gekommen

00:03:29: und dann sagt ich, ja, wo kommst denn du her? Ja, also er ist in dem Lager und dann muss er warten,

00:03:34: bis er die Papiere kriegt zur Entlassung, [unverständlich] Entlassungspapiere ned.

00:03:40: [Rollgeräusch] Armanda: Ich kann aber nicht genau sagen, wie lange er da war oder was,

00:03:47: aber er muss schon ziemlich eine Weile da gewesen sein, weil wir haben können,

00:03:50: die waren gut versorgt auch, und wir haben können als Kinder,

00:03:54: weil nach dem Krieg hat es ja auch nicht alt so viel gegeben sind, sind wir

00:03:57: mit der Milchkandel [Dialekt für Kanne] Suppen holen gegangen. Die haben das dürfen hergegeben

00:04:02: für die Bevölkerung. Lukas: Aus dem Lager heraus? Armanda: Aus dem Lager heraus, ja.

00:04:07: Und da haben... Da sind wir, ich glaube, ich bin zweimal an einem Sonntag,

00:04:10: oder drei Mal, hin gegangen mit einer alten Milchkandel,

00:04:13: ich hab die nicht mehr, und hab dort können Suppen holen gehen.

00:04:16: [Rollgeräusch] Armanda: Da ist man halt mit der Milchkandel gegangen, ned,

00:04:22: da hast du ja nicht viel gehabt, aber ich bin natürlich zu Fuß gegangen

00:04:25: von Wilten in die Reichenau runter.

00:04:27: Ja da hat es nichts gegeben, ich bin immer zu Fuß gegangen,

00:04:30: ich hab bis... Kann heute nur noch zu Fuß gehen, weil ich nicht

00:04:32: Radl [Dialekt für Fahrrad] fahren kann und nicht Auto fahren kann. [alle lachen]

00:04:34: Tobias: Ja, Radl fahren ist eh so [unverständlich]. [lachen]

00:04:36: Armanda: Mich haben nur die Füße geleitet [lacht].

00:04:39: Tobias: Ja, wenn es geht, eh sowieso, oder?

00:04:41: Armanda: Nein, super, sowieso, sowieso.

00:04:43: Wie ich [in die] Schule gegangen bin, bin ich auch das letzte Schuljahr von Wilten nach Pradl.

00:04:47: Weil die Fischerschule ist ja schon gleich bombardiert worden.

00:04:50: Da ist eigentlich, in der Fischerschule ist eigentlich auch eine gute,

00:04:53: eine gute Ding, da hat die damalige Direktorin auch einmal nachgeforscht,

00:04:56: wie das alles gewesen ist.

00:04:58: Und da hat sie nachher Bilder zusammen gesammelt,

00:05:00: die habe ich mir nachher angeschaut, die Ausstellung.

00:05:02: Die müsste oben nochmal sein, wen es interessiert.

00:05:04: Da war ja natürlich, vis-à-vis von der Volksschule herum

00:05:07: war ja nix, das ist ja ein Park gewesen,

00:05:10: da sind wir noch turnen gegangen, ned. Und da ist nachher die

00:05:12: Südtiroler-Siedlungen gebaut worden, ned. Das ist ja alles nicht mehr gewesen.

00:05:16: Und das ist jetzt über 70 Jahre, 75 Jahre her, ned.

00:05:19: [Rollgeräusch] Lukas: Selber im Lager waren Sie aber,

00:05:26: also jetzt als... Den

00:05:28: Cousin besuchen, oder so waren Sie nie? Armanda: Wohl, wohl, wir sind unten... Freilich,

00:05:31: wir haben ja müssen runter gehen, der hat uns das vermittelt, ned, dass wir haben können Suppen holen im Lager.

00:05:38: Lukas: Haben Sie noch Eindruck,

00:05:41: wie das beieinander war, oder wie das,

00:05:44: hat man sich da gefürchtet, wenn man da rein geht, oder? Armanda: An und für sich nicht, nein. 

00:05:48: Ich habe keine Angst haben müssen, ich weiß nicht, das ist alles irgendwie ganz regel...

00:05:53: ordentlich abgelaufen. [Rollgeräusch]

00:05:58: Armanda: Es war schon eine Bewachung da, aber wir haben gesagt,

00:06:01: mein Cousin ist dort gewesen,

00:06:03: da haben wir dort müssen abwarten, der hat uns halt einfach reingelassen,

00:06:05: dann haben wir dort können, 

00:06:07: ich weiß gar nicht mehr, war das das ist die Kuchl [Dialekt für Küche]

00:06:09: oder [unverständlich] oder jedenfalls haben wir da dürfen Lebensmittel raus holen.

00:06:13: Lukas: Aber das klingt nach einer eher entspannten Atmosphäre.

00:06:17: Armanda: Ja, ja, ja, das schon.

00:06:19: Lukas: Ja Sie waren damals ein junges Madl [Dialekt für Mädchen] mit 14, 15 Jahren. Armanda: Ja genau.

00:06:25: Lukas: Dann ist das schon eindrucksvoll, wenn man in so ein Lager kommt.

00:06:29: Armanda: Ja, freilich. Aber... Und ich weiß auch, dass er einen Kollegen gehabt hat,

00:06:34: und der hat leider Gottes, alle seine Verwandten oder seine Eltern verloren,

00:06:40: und das sind... Es sind noch mehrere gewesen,

00:06:42: die sind nachher, wie es damals war zur Legion gegangen.

00:06:45: Lukas: Ja, ja, schrecklich, ja.

00:06:47: Armanda: Die haben sich zur Legion gemeldet, ned?

00:06:50: Das ist ja furchtbar, wenn man sich das vorstellt.

00:06:52: Zuerst den Krieg mitmachen, und nachher, nachher

00:06:54: noch zur Legion gehen, ned?

00:06:56: Das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen.

00:06:58: Lukas: Naja, es war vielleicht so,

00:07:00: dieser Zusammenhalt in militärischen Einheiten quasi als Familienersatz,

00:07:06: Armanda: Ja. Lukas: So kann... Ich bin kein Psychologe,

00:07:10: aber das... [Armanda dazwischen: Ja. Ja. Ja.] So könnte ich mir das vorstellen.

00:07:12: Man hat klare Strukturen, einen Papa usw.

00:07:19: Und natürlich, viele haben ja auch keine Ausbildung gehabt,

00:07:22: was hätten sie denn tun sollen?

00:07:24: Armanda: Das ist es ja. Überhaupt die jungen,

00:07:26: die sind ja nachher schon 20... 28-jährige Soldaten gewesen, ned, zum Schluss.

00:07:32: Das hat auch mein Vater geschrieben,

00:07:34: der war im Riga drüben, in Russland um,

00:07:36: und da hat er gesagt, jetzt kommen die... Ich habe einen Bruder gehabt,

00:07:39: der ist mit fünf Jahren verunglückt,

00:07:41: und da hat er eben geschrieben zur Mama heim,

00:07:43: jetzt kommen die Buben, hat er gesagt,

00:07:45: wir können dem Herr Gott danken,

00:07:47: dass unserer verstorben ist,

00:07:49: die rean [Dialekt für weinen] nach der Mutter, alles 17, 18, 19-jährige Buben.

00:07:53: Ja stellt euch das vor [Lukas im Hintergrund: Ja, ja furchtbar] das sind ja Kinder,

00:07:56: was hätten denn die da sollten ausrichten, ned.

00:07:58: Gar nichts.

00:08:00: [Rollgeräusch] Armanda: Der Papa ist nachher mit dem letzten Schiff von Russland,

00:08:06: runter, in die dänische Bucht,

00:08:09: und da ist er dann zu Fuß in die englische Gefangenschaft gekommen,

00:08:12: und da haben wir nachher dann mal, auch durch einen [unverständlich] Osttiroler

00:08:16: und hat aber den Pass nach Osttirol gehabt,

00:08:18: wir waren die Franzosenzone, Besatzungszone.

00:08:20: Da hätte er nie hergekommen, ned. Und ein anderer Kollege,

00:08:24: wieder, der ist dann nach Innsbruck gekommen,

00:08:26: und der hat uns dann gesagt, dass er lebt.

00:08:29: Der hat uns aufgesucht, und hat dann gesagt,

00:08:31: dass der Vater lebt und ist in der englischen Gefangenschaft.

00:08:34: Hat aber nicht rauskönnen,

00:08:36: weil er sich in unserer Besatzung nicht ausweisen hat können, ned.

00:08:39: Er hat sich dann in die englische Besatzung

00:08:41: nach Kärnten entlassen. Lukas: Ja und ist dann... Armanda: Und ist von Kärnten nachher zu Fuß

00:08:45: zu der Schwester nach Osttirol rauf,

00:08:47: da hat er... Da wo er daheim war,

00:08:49: und hat dann erst können,

00:08:51: durch eine bekannte Frau,

00:08:53: die der Vater von Lettland als Flüchtling

00:08:55: in unserer alten Wohnung aufgenommen hat,

00:08:57: die hat das Bedürfnis gehabt,

00:09:00: als Begleitperson den Vater zu holen.

00:09:04: [Rollengeräusch] Lukas: Sie haben nach der Schule, was haben Sie beruflich

00:09:10: dann gemacht?

00:09:11: Armanda: Ich habe zuerst schneidern gelernt

00:09:13: weil das war so, du musst Schneiderin werden.

00:09:15: Obwohl ich eigentlich immer... Ich habe gut singen können,

00:09:17: und der Vater hat auch gut singen können.

00:09:19: Ich wollte immer so eher das Ding anstreben.

00:09:22: Habe 20 Jahre Schneiderin gemacht,

00:09:24: ich habe von [19]47 bis [19]50 gelernt,

00:09:26: Gesellen-Prüfung gemacht,

00:09:28: [19]60 die Meister-Prüfung gemacht.

00:09:30: Dann war ich sechs Jahre beim Heuberger [Schreibweise ungewiss],

00:09:32: und wie nachher [19]67 das Theater aufgefangen ist,

00:09:35: habe ich mich gemeldet zum Theater,

00:09:36: weil ich habe nach... Vorher heimlich

00:09:38: Gesangstunden unterrichtet,

00:09:40: weil mein liebe Mutter hat kein Verständnis dafür gehabt,

00:09:42: das habe ich auch irgendwie so ein bisschen

00:09:46: [lachend] Ding machen

00:09:47: und habe natürlich in Salzburg auch die Prüfung gemacht,

00:09:49: und bin nachher [19]67 ins Theater

00:09:51: und da war ich noch 20 Jahre im Theater.

00:09:53: Lukas: Als Sängerin oder?

00:09:55: Armanda: Nein, im Chor. Lukas: Im Chor.

00:09:56: Armanda: Ab und zu einmal solistisch,

00:09:57: und fünfmal habe ich die erste Dame gesungen,

00:09:59: das war schon fein,

00:10:01: das waren meine schönsten Jahre, muss ich sagen

00:10:03: weil ja des [unverständlich].

00:10:09: [Rollgeräusch] Lukas: Damit wir aufs Lager Reichenau zurück kommen.

00:10:12: Sie waren ja da im Sellrein drinnen,

00:10:15: und nicht in Innsbruck,

00:10:17: aber so, wenn man nach Hall gefahren ist, oder ist

00:10:20: hat man da umgeschaut, oder?

00:10:24: Armanda: Ja, also unter dem Krieg sind wir schon spazierend gegangen,

00:10:27: auch über die Reichenau,

00:10:28: da hat man die Dinge schon gesehen, die Lager.

00:10:30: Lukas: Was haben die Leute gewusst davon, oder?

00:10:32: Armanda: Ja, natürlich, das haben doch alle gewusst. Das hat...

00:10:34: Das ist ja alles still... eh

00:10:35: vertuscht worden,

00:10:37: das hat doch jeder schon gewusst. Es ist nur nicht geredet worden

00:10:40: das hat man ja schon gleich am Anfang schon gewusst gehabt, dass da unten das Lager daher kommt.

00:10:43: Das ist alles verschwiegen worden.

00:10:46: Lukas: Und die Bau...

00:10:48: Die, die... Wenn die Kriegsgefangenen für Baustellen,

00:10:51: dann sind sie ja durch die Stadt marschiert,

00:10:54: Armanda: Ja genau. Ja. Lukas: Oder sogar an den Baustellen.

00:10:57: Armanda: Ja, ja. Also ich weiß dass die...

00:10:59: Durch die Haymongasse ist immer wieder

00:11:01: so ein kleiner Trupp aufmarschiert.

00:11:03: Und ich weiß, über dem...

00:11:04: Weil es muss nach dem Bunker gewesen sein,

00:11:07: für die, eh, Bombenschutzbunker.

00:11:10: Was da war, das kann ich nicht sagen.

00:11:12: Aber jedenfalls müssen die über den Stubaital Bahnhof

00:11:16: da rauf sein.

00:11:17: Vielleicht finden Sie da etwas raus es, ich weiß es nicht.

00:11:20: Lukas: Wir haben letztes, vorletztes Jahr haben wir,

00:11:25: wenn man die Brennerstraße raufgeht,

00:11:28: nach der ersten Kurve,

00:11:30: und dann den Hohlwege rauf,

00:11:33: da ist rechts ein Spielplatz. Armanda: Ja genau.

00:11:35: Lukas: Und unter diesem Spielplatz

00:11:37: haben wir eine Betonstruktur gefunden,

00:11:39: von der wir bis heute nicht wissen, was es ist.

00:11:42: Armanda: Achso. Lukas: Und es würde sich zufällig zusammengehen,

00:11:45: dass das vielleicht...

00:11:47: Armanda: Ja. Eben, das habe ich nicht rausgefunden.

00:11:49: Jedenfalls ist immer wieder so ein gefangenen Trupp,

00:11:52: da durch rauf... Stubaital Bahnhof rauf.

00:11:55: Ich habe eben nachher vermutet,

00:11:58: durch den Bunker, wo die Leute

00:12:00: als Rettungsbunker rein gegangen [Lukas dazwischen: Ja, den Luftschutzstollen, ja] sind bei den Bombenangriffen

00:12:03: dass sie da einen Stollen, will ich sagen,

00:12:05: dass sie da was gemacht haben.

00:12:07: Aber das kann ich jetzt nicht sagen.

00:12:09: Lukas: Hm, ja, wäre möglich natürlich, ja. Armanda: Ja.

00:12:11: [Rollengeräusch] Lukas: Und die Lager, die in der Stadt verteilt waren,

00:12:18: also Westbahnhof oder so, das hat...

00:12:21: Hat das die Bevölkerung mitgekriegt, dass da...

00:12:24: Armanda: Ja, man hat es mitgekriegt,

00:12:27: aber es ist alles nur nicht laut gesagt worden.

00:12:30: Man hat ja Radio gehorcht [Dialekt für hören], verbotener Weise, und des.

00:12:33: Ich habe auch mitgekriegt, wie der Hitler in Innsbruck war,

00:12:37: wo er den Dr. Hauptwohl, eh den Dr. Priester,

00:12:40: der hat ihn in Wilten drüben...

00:12:43: In.... [schnalzt mit der Zunge] Lukas: Leopold-Straße.

00:12:45: Armanda: Nein, also in der "Wiesn",

00:12:47: ah, wie heißt es, jetzt fällt es mir wieder nicht ein. In den "Weiler" drüben gewohnt.

00:12:51: Und das war ein schreckliches Gerücht, oder

00:12:54: wie es geheißen hat. Stellt euch vor,

00:12:56: der Dr. Priester hat sich müssen umbringen

00:12:58: wegen dem Hitler.

00:13:00: War auch mal so ein Wiltener Gerücht. Lukas: Noch schlimmer,

00:13:02: wegen seiner Tochter.

00:13:04: Armanda: Ich habe das gelesen gehabt,

00:13:06: aber da haben sie gerade gehabt,

00:13:08: weil er scheinbar gesagt hat, einen Trottel behandelt er nicht.

00:13:11: Lukas: Nein, es war... Das Schreckliche ist,

00:13:13: die Tochter hat in der Schule,

00:13:15: gesagt, der Papa hat den Hitler behandelt.

00:13:18: Armanda: Nicht behandelt?

00:13:20: Lukas: Hat ihn behandelt. Armanda: Achso.

00:13:22: Lukas: Und, das heißt, der Hitler war krank.

00:13:25: Armanda: Ja. Lukas: Und das geht ja nicht.

00:13:27: Und daraufhin hat man gesagt,

00:13:29: entweder du bringst dich um oder wir tun es.

00:13:31: Armanda: Aber... Lukas: Und das Madl hat ein Leben lang...

00:13:33: Das war ein Volksschülerin, die war

00:13:35: ziemlich genau in ihrem Alter. Armanda: Ja.

00:13:37: Lukas: 3, 4, 5, Jahre jünger. Armanda: Ein bisschen älter.

00:13:39: Ja. Lukas: Ja, sowas. Armanda: Ein bisschen älter.

00:13:41: Lukas: Das Madl hat ein Leben lang mit...

00:13:44: Also das Kind, hat ein Leben lang mit der Schuld leben müssen,

00:13:48: dass sie, auch wenn sie nichts dafür kann,

00:13:51: schuld ist, dass sich der Vater umbringen hat müssen.

00:13:54: [Rollgeräusch] Lukas: Eine Frage [kurze Pause] zu einem anderen Thema, die mich interessiert.

00:14:03: Es hat ja am Barschberg, im Steinbruch...

00:14:07: Hat man ja Menschen hingerichtet.

00:14:10: Armanda: Ja, das stimmt.

00:14:12: Lukas: Haben Sie da als Kind,

00:14:14: weil Sie ja doch relativ in der Nähe gewohnt haben.

00:14:16: Haben Sie da was mitgekriegt?

00:14:18: Armanda: So im Dunkeln habe ich schon was mit gekriegt, ja.

00:14:21: Aber ich kann das eigentlich nicht so genau schauen. Also, da hat man viel geredet,

00:14:23: dass Sie da Leute raufgebracht haben.

00:14:25: Und die haben Sie dann irgendwie verscharrt oder umgebracht.

00:14:28: Das stimmt schon, was Sie da sagen.

00:14:30: Das stimmt schon. Lukas: Aber Sie haben es nicht selber irgendwas... Armanda: Nein.

00:14:32: Lukas: Gut.

00:14:34: [Rollgeräusch] Lukas: Und dann wollte ich fragen,

00:14:39: wegen der Reichskristallnacht.

00:14:41: Sie haben gesagt, sie können sich da ran erinnern.

00:14:43: Armanda: Ja. Und das ist so komisch, weil ich da denke immer, wir sind durch die Leopoldstraße

00:14:49: runter gegangen und linker Hand gleich hier oben, da wo jetzt das Modegeschäft

00:14:54: [unverständlich] und gleich drunter war auch ganz ein kleines Geschäft, das war für

00:14:58: Putzmittel. Lukas: Ja. Armanda: Und... So ähnlich wie der Putzenbacher in der Anichstraße war.

00:15:03: Und die haben Smoleński geheißen, das waren Juden. Und da hat die Mama immer Putzmittel

00:15:08: gekauft, also Seifen oder Schmierseifen. Und die Frau ist, wir sind rechts runter gegangen und da ist

00:15:16: die Frau draußen gestanden und die habe... Das Geschäft war demoliert und die Mama

00:15:21: hat nachher rüber gerufen, was los ist, dann hat sie gesagt, ja ihren Mann haben sie weg.

00:15:27: Aber ich habe vor dem eigentlich nie was gehört. Ich höre nur immer von Graubart, von

00:15:33: in der Anichstraße, der Brüll, da habe ich noch die Inge gekannt, mit der habe ich noch

00:15:37: gesungen und Bauer & Schwarz, was war, Kaufhaus Tyrol war Bauer & Schwarz am Anfang.

00:15:43: Lukas: Jetzt kann ich Ihnen was zum Smoleński erzählen. Armanda: Ja. Lukas: Der Smoleński hat auch

00:15:48: Ausstattungsding für Hotels... Armanda: Achso. Lukas: Gemacht. Und vor ein paar Monaten habe ich gekauft,

00:15:56: so ein Holzgestell, das war so ein Scheren, so ein Scheren-Ding, das ist so hoch.

00:16:03: Und für Hotels, wo man die Koffer draufstellt. Armanda: Achso. Lukas: Oder was da vorm Bett so steht,

00:16:10: da wo man Koffer, und die hat man so zusammen klappen können. Und da ist drunter, also auf der Seite,

00:16:15: ein kleines Schild "Smoleński Innsbruck", Leopoldstraße ist drauf. Armanda: Achso. Lukas: Und das habe ich kürzlich... Armanda: Ja,

00:16:22: Aber komisch, man hört von denen eigentlich nie was. Nur von den großen Sachen.

00:16:26: Lukas: Weil... Armanda: Der ist untergegangen. Lukas: Die von Ihnen genannten Familien, Bauer & Schwarz, Brüll

00:16:33: und so weiter, das sind ganze Klans, das sind 10, 20 Leute. Armanda: Ja. Lukas: Und von 10, 20 Leuten haben meistens auch ein paar überlegt.

00:16:43: Und dann gibt es auch viele, und das waren große, wohlhabende Leute zum Großteil.

00:16:48: Das heißt, da ist viel mehr Chance, dass was überlebt bzw. auch die haben viel mehr auch Unterlagen gehabt.

00:16:56: Der Smoleński, das war der... Der ist erst in den späten 20er-Jahren nach Innsbruck gekommen. Armanda: Ja.

00:17:03: Lukas: Das war nur er und seine Frau, Kinder haben es keine gehabt.

00:17:06: Das heißt, wenn die wechseln...

00:17:09: Armanda: Sie war eine kleine Frau, ich kann mir sie irgendwie, habe ich sie [lachend] noch [in Erinnerung].

00:17:13: Lukas: Und wenn die zwei weg sind, da kräht wirklich sprichwörtlich kein Hahn mehr danach.

00:17:19: Armanda: Ja, ja.

00:17:20: Lukas: Und deswegen sind diese kleinen, da gibt es Hund... Duzende Fälle. Armanda: Viele, ja, ja.

00:17:28: Lukas: Also selbst wenn sie ein Geschäft haben, es gibt ja noch welche, die arbeiten als Buchhalter oder als irgendwas

00:17:34: die scheinen nirgends auf, fast nirgends auf.

00:17:37: Aber die Smoleńskis als Geschäftsleute nur, das waren zwei Leute, die beide den Krieg, meines Wissens, nicht überlebt haben.

00:17:45: Und dann ists dahin.

00:17:47: Armanda: Ja, ja eben.

00:17:50: [Rollgeräusch] Lukas: Jetzt [würde] mich noch was anderes interessieren.

00:17:54: Der Besuch vom Hitler in Innsbruck, haben Sie an den Erinnerungen?

00:17:59: Armanda: Ja, aber wir sind nirgends hingegangen.

00:18:01: Die Mama hat uns natürlich... Und sie ist auch nirgends hingegangen.

00:18:03: Schon durch das, dass der Vater schon nicht mehr da war, ned.

00:18:06: Wir haben ja den Vater sechs Jahre nicht gehabt ned.

00:18:09: Und dann, pfff. Es waren die Aufmärsche, die haben wir schon mitgekriegt, wenn er da war.

00:18:14: Da beim Rennweg oben, das hat man nachher schon mitgekriegt. Aber man ist nirgends hingegangen.

00:18:19: [Rollgeräusch] Lukas: Haymongasse 1, ist ja quasi in der Nähe vom Gasthof Haymon.

00:18:27: Armanda: Ja, genau, vis-à-vis. Vis-à-vis.

00:18:29: Lukas: Da muss es ja rund gegangen sein in der Zeit.

00:18:32: Armanda: Nein, wie meinen Sie rund gegangen? Lukas: Ja.

00:18:34: Armanda: Achso.

00:18:35: Ja, ja, drüben beim Haymon ist schon, ist schon... wohl, wohl, das stimmt schon.

00:18:40: Da ist ja ein großer Gastgarten draußen gewesen, hinten raus da.

00:18:43: Lukas: Ja, eben da.

00:18:44: Armanda: Ja. [lacht] Da ist jetzt auch schon alles verbaut.

00:18:46: Lukas: Alles zu gebaut. Alles zu gebaut, ja.

00:18:48: Armanda: Da bin ich sogar noch [in den] Kindergarten gegangen, ein Jahr.

00:18:50: Da war noch... Im Haymonhaus oben im ersten Stock, war noch ein Lokal drin, noch [in den] Kindergarten gegangen.

00:18:56: Da waren nur Schwestern.

00:18:58: Lukas: Katholisch, oder?

00:18:59: Armanda: Ja, ist vom Stift hinten. Stift Wilten.

00:19:02: Und meine Schwester ist ein Jahr jünger, die hat müssen schon in der Leopoldstraße gehen.

00:19:08: Da war [es] dann schon da NSV-Kindergarten, wie es geheißen hat.

00:19:11: Lukas: Ja, ja. Das wäre eben eh mein nächstes Thema noch gewesen.

00:19:16: Können Sie sich noch erinnern, wie sich die Schule geändert hat, oder die Lehrer geändert haben. Armanda: Ja, ja. Lukas: Mit dem Anschluss?

00:19:24: Armanda: Ja, ja, ja.

00:19:26: Erste Klasse in die Schule gegangen, haben wir eine ganz eine nette Lehrerin gehabt.

00:19:29: Da war noch die... Da war noch kein Nazi [unverständlich]. Die hat noch Haas [Schreibeweise ungewiss] geheißen, aber das war schon eine ältere Frau.

00:19:37: Und die hat sogar noch,

00:19:39: da haben wir noch die Tafel gehabt mit den Rollen, mit den Kugeln, ned.

00:19:42: Und die hat uns noch... Und unten waren die Schubladen, wo man die Kerze eh... Lukas dazwischen: Kreide. Armanda: Die Kreide, die war unten drin.

00:19:48: Und die hat uns zum Nikolo, zum Nikolo [eben den] Kindern, ich glaube, das waren so kleine, kleine Zuckerlen oder was, ausgeteilt.

00:19:56: Das hat der Nikolo gebracht. Das war das

00:19:58: letzte. Und die zweite Klasse Schule war schon nix mehr, da haben wir... Da hätten wir schon müssen Heil Hitler sagen, beim ein...

00:20:06: Wir haben natürlich nix gesagt. Also da war dann schon statt dem Kreuz das Hitlerbild oben, ned.

00:20:10: Und da haben wir nachher schon ziemlich... Tobias: Ah, habt ihr das Kreuz nicht mehr oben gehabt?

00:20:12: Armanda: Ja sowieso. Und, eben da haben wir nachher fast nur mehr Nazi-Lehrerinnen gehabt.

00:20:18: Also von dem... Wir waren ja sowieso... Lukas: Und waren das Deutsche oder waren das Hiesige?

00:20:22: Armanda: Hiesige, Hiesige.

00:20:24: Die letzte in der dritten Klasse war nachher da, wo ich von der dritten auf die vierte Klasse, wo ich hätte sollen in die Hauptschule gehen, das war nachher nicht.

00:20:31: Weil ich nicht fähig war, so quasi, ned.

00:20:34: Das war, die Lehrerin von der Haspinger-Buben-Schule haben wir nachher bekommen.

00:20:39: Und das war ein wildes Luder [lachen im Hintergrund]. Das war nur eine Nazi-Lehrerin. Das war nur eine Nazi-Lehrerin, ge.

00:20:44: Und die hat natürlich da gewusst was...

00:20:47: Das hat sich ja um gesprochen, wer für was [sich] interessiert hat, oder? Tobias: [lachend] Ja, ja.

00:20:52: Armanda: Ja, eben. Und weil ich dann nicht... Natürlich nicht in die Hauptschule gehen durfte,

00:20:55: dann ist die Mama gleich hingegangen und hat gesagt, warum darf ich nicht in die Hauptschule gehen,

00:20:58: laut Zeugnis könnte ich ruhig in die Hauptschule gehen.

00:21:00: [Armanda spricht Hochdeutsch] Nein, wir haben von oben herab die Weisung, wir brauchen mehr manuelle Arbeiter wie Geistige.

00:21:06: Also zu Trotteln [unverständlich] [Tobias lacht im Hintergrund]

00:21:10: Tobias: Nein ich weiß, es ist arg ja.

00:21:12: Armanda: Ja, aber ich habe echt mein Leben geschafft, ohne [das] Theater.

00:21:20: [Rollgeräusch] Lukas: Und dann sind Sie nach der Gris gekommen und haben das Kriegende...

00:21:23: Armanda: Ja, da bin ich drin, ja, ja... Dann bin ich drin zwei Jahre in die Schule gegangen, das war überhaupt ein lustiger Lehrer

00:21:28: muss ich sagen.

00:21:30: Ja, ich war sehr... Muss ich sagen, ich war sehr, in der Schule

00:21:33: ich habe immer alles doppelt geschrieben. Ich habe mir daheim... Alles noch einmal geschrieben.

00:21:38: Und schön da hab ich, das weiß ich noch ganz genau war, das haben wir leider Gottes auch schon verschmissen.

00:21:43: Ein ganzer [unverständlich] da haben wir eine bekannte Frau gehabt, da war der Sohn Buchbinder, ned.

00:21:46: Und der hat uns... Hat mir nachher ein großes Ding gegeben, mit einem schönen Umband.

00:21:50: Und ich habe das natürlich alles noch einmal geschrieben.

00:21:53: Und der Lehrer drin hat die ganze... Ein habe ich mit gehabt

00:21:56: und hat natürlich gefragt, was wir draußen gelernt haben.

00:21:59: Und dann haben wir praktisch zwei Jahre das gleiche gelernt, weil der hat das von meinem Buch heraus gelehrt [alle lachen].

00:22:03: Lukas: Schön. Schön. [alle lachen] Lukas: Und sind Sie dann gleich nach Kriegsende wieder raus gekommen?

00:22:13: Armanda: Ja, ja. Da sind wir gleich nachher gleich raus noch, das war mein ich im Mai/Juni. Juni.

00:22:18: Tobias: Wieder in die Haymongasse dann?

00:22:20: Armanda: Ja, in der Haymongasse.

00:22:21: Lukas: Und die war nicht zerstört?

00:22:22: Obwohl sie so nah an der Eisenbahn liegt.

00:22:24: Armanda: Nein, die war nicht zerstört.

00:22:26: Es waren wohl die Fenster hin, aber das haben sie natürlich repariert.

00:22:31: Also den ersten Angriff habe ich schon im Haus erlebt, gell. Im Keller unten.

00:22:34: Da war ja ein Gasthaus auch. Gasthaus Neuwirt.

00:22:37: Hat es geheißen. Lukas: Heißt es immer noch. Armanda: Und da waren wir schon im Keller unten, beim ersten Angriff.

00:22:42: Das stimmt schon.

00:22:43: Aber sonst ist... Lukas: An was denken Sie, wenn Sie jetzt an den ersten Angriff denken?

00:22:48: Armanda: Ich bin in heim gekommen, bin durch die Leopoldstraße raufgegangen.

00:22:52: Bei der... Da war ja noch die Übersetzung, wo der Zug anders gefahren ist, nicht wie heute die Unterführung.

00:22:58: Und dann war die Sirene.

00:23:00: Und dann natürlich schnell heim gesaust, ja jetzt schnell runter in den Keller.

00:23:04: Und dann haben wir, aber dann hat es schon gekracht, gell.

00:23:08: Das Essen ist am Tisch gestanden,

00:23:10: wie wir nach der Entwarnung wieder rauf gekommen sind,

00:23:13: war natürlich alles verstaubt und verrußt,

00:23:16: ned, weil das ist ja wahrscheinlich halt in den alten Häusern alles durchgegangen, ned.

00:23:21: Und das war schon ein bisschen deprimierend, muss ich sagen.

00:23:25: Und dann sind wir nachmittags schauen gegangen, was alles bombardiert [worden] ist.

00:23:30: Dann sind wir durch, wie hat es geheißen, da das Gassl [Dialekt für Gasse] beim Ding raus.

00:23:35: Lukas: Rote Gassl.

00:23:37: Armanda: [schmunzelnd] Genau, das rote Gassl. Ja genau.

00:23:39: Und dann hat man schon gesehen, da ist ja die Straßenbahn,

00:23:43: da beim... über dem Bahnhof, Westbahnhof oben. Lukas: Die Hochbrücke.

00:23:46: Armanda: Durchgefahren ja, da war natürlich alles hin. Die Gleise sind in der Luft gestanden.

00:23:51: Und da beim Westbahnhof, das Hotel Westbahnhof

00:23:54: ist auch irgendwie ein bisschen beschädigt worden.

00:23:56: Und da war die Wirtin, der Papa war eine Zeitlang oben,

00:24:01: und die Mama war da, hat Kassiererin gewesen, eine Zeitlang, junger.

00:24:06: Und die Wirtin ist auch draußen gestanden,

00:24:09: und die hat nachher geschrien zur Mama, [verändert ihre Stimme] was ist denn los mit dem Hans?

00:24:12: Und da hat die Mama gesagt, ja, wir wissen... Da weiß sie nix,

00:24:16: da hat sie auch schon lange keine Nachricht mehr gekriegt,

00:24:18: also wir wissen da nix, der war ja in Russland oben, ned.

00:24:20: Aber das war auch noch ein tiefer Eindruck von dem ersten Bombenangriff.

00:24:25: Lukas: Haben Sie Angst gehabt?

00:24:28: Armanda: Angst? Das kann ich jetzt eigentlich gar nicht sagen, dass man Angst gehabt hat.

00:24:33: Wir sind am... Der zweite Angriff war ja am 19.

00:24:38: Und am 18. sind wir dann auf Sellrain rein bis Kematen gefahren,

00:24:44: dann zu Fuß gegangen, mehr vor wir zurück, meine Schwester und ich. Die Mama

00:24:49: hat zwei Koffer, riesen Koffer mitgehabt. In einem Koffer waren Lebensmittel drin,

00:24:53: in dem anderen Koffer natürlich Zeugs und Ding.

00:24:55: Das haben wir dürfen in Kematen oben bei einem Wirt,

00:24:59: beim Neuwirt oben reinstellen, weil da war sie ja durch junger

00:25:02: her bekannt, und nachher sind wir zu Fuß rein gegangen.

00:25:04: In Sellrain drinnen ist Gott sei Dank ein Bekannter

00:25:07: [unverständlich] dann gekommen, da wo wir hin,

00:25:10: Ja Toni hat er gesagt, zu meiner Mama, wo willst denn du hin?

00:25:12: hat er gesagt. Ja wir müssen ja nach Gries rein

00:25:14: Ja hat er gesagt, nachher hockt euch rauf, hat er gesagt,

00:25:16: Schmied hat der geheißen.

00:25:18: Da haben wir dürfen hinten auf dem Wagen sitzen [lacht kurz],

00:25:22: dass wir haben können wenigstens rein fahren.

00:25:24: Die waren natürlich froh drinnen, die Bekannten. Die Mama ist drinnen aufgewachsen,

00:25:28: ned. Dann haben sie gesagt Gott sei Dank, kommt ihr mal endlich. [alle lachen]

00:25:32: Das war dann schon nett, muss ich sagen.

00:25:36: Lukas: Hat Ihre Mutter drinnen arbeiten können oder müssen?

00:25:39: Armanda: Ja, [lachend] he. Die ist aufgefordert worden, dann waren auch dann mal,

00:25:42: weiß nicht, das hat mir der Bürgermeister mal gesagt

00:25:45: das weiß ich nicht mehr, oder was da. Was war denn da?

00:25:47: Lukas: Ja, ja. Armanda: Sozusagen, Bürgermeister oder?

00:25:49: Lukas: Bürgermeister ja. Armanda: [räuspert sich] Der ist gekommen und dann hat er gesagt gehabt, sie müssen arbeiten,

00:25:55: irgendwo. Dann hat sie gesagt, ich arbeite schon, hat sie gesagt. Ich arbeite bei dem Bauern

00:25:58: und bei der Schwester hintern arbeite ich auch, ned.

00:26:01: Hat man ja alles geholfen. Tobias aus dem Hintergrund: Ja, ja.

00:26:03: Armanda: Da hat man noch die Erdäpfel gesetzt,

00:26:06: dann haben wir müssen zuerst mit dem Rücken-Korb die Erde rauftragen

00:26:09: und, weil sie runter gerodelt ist. Lukas: [gedämpft] Ja, ja schrecklich.

00:26:12: Armanda: Sagen Sie das heute [lacht laut]. [alle lachen] Ja, das war so! Da haben wir gesagt,

00:26:19: die Hennen brauchen Steigeisen [alle lachen]. Ja. Lukas: Aber was ich jetzt interessant finde ist, dass Sie...

00:26:25: Armanda: Aber sagen wir, die Kindheit drinnen,

00:26:28: haben wir als Kinder nachher nicht so streng erlebt,

00:26:32: also, das war natürlich Kindheit der Freiheit. Lukas: Schön, schön.

00:26:35: Aber nicht die Winter, Sie erwähnen nichts vom Winter.

00:26:38: Armanda: Boah. Winter! Mah! Lukas: Weil die sind ja berühmt da drinnen.

00:26:40: Armanda: Mah, Winter. In der Nacht... Über Nacht hat es den Gartenzaun zugeweht.

00:26:45: Lukas: Eben, ich kenn solche...

00:26:47: Armanda: Mah! Die ersten Leute, [die reingehen mussten],

00:26:52: zur Arbeit auf Gries und so, [die] mit dem Autobus rausgefahren sind,

00:26:55: die sind um 6.00 Uhr gegangen, oder um 6:30 Uhr,

00:26:58: bis wir zur Schule gegangen sind, war kein Weg mehr [da],

00:27:01: der war schon wieder zu, bis da rauf, ned.

00:27:03: Des... Ich mein, das war an und für sich die schönste Kindheit da drin,

00:27:06: dass man so freier Leben hat können, frei.

00:27:10: Lukas: Unschuldig und...

00:27:12: Armanda: Unschuldig, ja, genau. Das war nett, muss ich sagen.

00:27:15: Lukas: Und am Land ist ja immer was zum Essen da.

00:27:17: Armanda: Ja sowieso.

00:27:19: Aber die haben auch müssen alles abgeben.

00:27:21: Sie haben nur gewisse Kontingenten behalten dürfen. Die haben müssen Butter stellen,

00:27:25: statt der Milch, ned. Da haben sie den Butter müssen stellen.

00:27:28: Und dann ist genau geschaut, was geschlachtet wird,

00:27:31: haben ja nichts schlachten dürfen, das ist auch schwarz gegangen.

00:27:34: Ich weiß genau, weil sie eine Ziege gehabt haben.

00:27:37: Boah. Das war schon ein bisschen ein Horror,

00:27:40: dass sie da kontrolliert haben, wo das her kommt.

00:27:43: Lukas: Ich kenne das, dass man am Land oft einmal eine Ziege oder ein Kalb

00:27:49: über eine Klippe runter geschmissen hat, oder raus gejagt hat.

00:27:54: Und dass zufällig der Amtstierarzt schon da war, zufällig.

00:27:59: Und der einen kleinen Stempel drauf gehaut hat, und alle haben's gleich das...

00:28:02: Und das... Von dem V... Das hat mein Vater so erzählt.

00:28:06: Und der hat gesagt, da war dann innerhalb von einer Stunde,

00:28:09: das Kalb nicht mehr zu sehen.

00:28:11: Und Futsch. Armanda: Ja. Lukas: Und alle haben was daheim gehabt.

00:28:14: Lukas: Das ist... Inklusiv dem Polizisten natürlich.

00:28:17: Armanda: Ja, sicher. Ja.

00:28:19: Das war schon, also da mit der Schlachterei war,

00:28:22: das schon [eine] Heimlichtuerei, genau.

00:28:28: Lukas: Glauben Sie, dass Ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn's soweit...

00:28:33: Armanda: Wenn kein Krieg... Wenn kein Krieg gewesen wäre.

00:28:35: Lukas: Wenn kein Anschluss, kein Hitler und kein Krieg gewesen wäre.

00:28:39: Armanda: Denke schon, denke schon, ja, auf alle Fälle, denke schon.

00:28:44: Lukas: Haben Sie eine Wut drauf?

00:28:47: Armanda: Ich sag nur, ich sag, wir haben sechs verlorene Jahre.

00:28:51: Weil das hat sich nicht verwirklicht,

00:28:54: was man sich eventuell als Kind da vorgestellt [hat] und

00:28:57: das waren einfach verlorene Jahre.

00:29:01: [Outro-Musik]

00:29:04: [Musik]

00:29:07: [Musik]

00:29:10: [Musik]

00:29:13: [Musik]

00:29:16: [Musik]

00:29:19: [Musik]

00:29:22:

00:29:24:

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